Gerry Schum – Fernsehgalerie

Gerry Schums Fernsehgalerie – zur Ausstellung im Kunst Museum Winterthur

Von Tiziana Carraro, 1. August 2024
tcarraro@culturart-carraro.ch – www.culturart-carraro.ch

Im Parterreraum des Kunstmuseums in Winterthur hatte man 2022 die Gelegenheit, an etwas mehr als einem Dutzend Fernsehmonitoren Videoproduktionen anzuschauen:
Diese entstanden aus der Hand von namhaften Künstlern wie Walter de Maria, Richard Long, Mike Heizer, Robert Smithson und weiteren, die als Künstler der Land Art zuzurechnen sind.
Allen gezeigten Videofilmen gemeinsam war, dass sie für die „Fernsehgalerie“ des Senders Freies Berlin am 15. April 1969 spätabends produziert und ausgestrahlt wurden.
Es war Gerry Schum, der diese Idee zusammen mit der Ehefrau Ursula Wevers entwickelt und in die Tat umgesetzt hatte.

Gerry Schum (1938-1973) war ein visionärer deutscher Konzeptkünstler, Kurator und Filmemacher, der vor allem für seine innovativen Bemühungen bekannt ist, das Medium des Fernsehens zu nutzen, um zeitgenössische Kunst einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Sein Ansatz, die Kunstproduktion und -distribution zu demokratisieren, machte ihn zu einer einzigartigen Figur in der Kunstwelt des 20. Jahrhunderts.

Gerry Schum Lebenslauf:

Gerry Schum wurde 1938 in Köln geboren. Ein Medizinstudium brach er ab. Von 1961 bis 1963 war er am Deutschen Institut für Film und Fernsehen (DIFF) in München eingeschrieben. Später zog er nach Berlin, um an der Deutschen Film- und Fernsehakademie zu studieren, blieb aber kaum ein Jahr. Damals schon sah Schum sich nicht nur als Künstler, sondern auch als Kurator und innovativen Denker, der neue Wege suchte, Kunst zu präsentieren und zu verbreiten.

Kunstauffassung und Werke:

Schum war kein traditioneller Künstler im Sinne von jemandem, der physische Kunstwerke schafft. Stattdessen war er ein Pionier bei der Nutzung von Fernsehen und Film als Plattformen für die Neudefinition und Verbreitung von Kunst. Seine „Fernsehgalerie“ war eine bahnbrechende Initiative, bei der er das Fernsehen als Medium nutzte, um zeitgenössische Kunst direkt in die Wohnzimmer der Menschen zu bringen, anstatt sie auf traditionelle Galerien oder Museen zu beschränken.

Fernsehgalerie Schum

1968 initiierte er die „Fernsehgalerie Schum“, mit der er Künstlern ermöglichte, künstlerische Filme zu produzieren und im Sender Freies Berlin auszustrahlen. Dieses Projekt präsentierte Werke von prominenten zeitgenössischen Künstlern wie Joseph Beuys, Richard Long und Gilbert & George.

Land Art und Identifications

Schum produzierte zwei bemerkenswerte Serien von Kunstfilmen: „Land Art“ (1969) und „Identifications“ (1970). „Land Art“ dokumentierte Arbeiten von Künstlern, die Landschaften als Medium nutzten, während „Identifications“ die Künstler zeigte, die direkt in Aktion waren, oft ohne dass ihre Kunstwerke im traditionellen Sinne gezeigt wurden.

Videogalerie Schum

Nach der Schliessung der Fernsehgalerie gründete er die „Videogalerie Schum“, wo er weiterhin Kunstvideos produzierte und vertrieb.

Gerry Schums Rezeption:

Obwohl Schum selbst nicht traditionell ausstellte, trug seine Arbeit dazu bei, zahlreiche Künstler und Kunstbewegungen hervorzuheben:

Documenta 6 (1977)

Obwohl Schum zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war, hatte seine Pionierarbeit grossen Einfluss auf die Präsentation von Video- und Medienkunst in dieser wichtigen Ausstellung.

Gerry Schum Retrospektiven

Nach seinem Tod fanden verschiedene Retrospektiven und Ausstellungen statt, die Schums Beitrag zur Kunstwelt würdigten. Diese beinhalteten sowohl seine filmischen Arbeiten als auch sein einflussreiches Kuratorium und seine Konzepte.

Gerry Schum starb tragischerweise 1973 im Alter von 35 Jahren, aber sein Erbe lebt in der Kunstwelt weiter. Seine innovativen Ansätze zur Verwendung von Fernsehen und Video zur Dokumentation und Präsentation von Kunst haben die Tür für die Akzeptanz neuer Medien in der zeitgenössischen Kunst geöffnet und die Art und Weise, wie Kunst verbreitet und konsumiert wird, nachhaltig verändert.

Romy Ott und François Lopez in der Kronengalerie Zürich

Auf den zweiten Blick

Von Tiziana Carraro, 29. November 2018
tcarraro@culturart-carraro.ch – www.culturart-carraro.ch

Vernissagerede für Romy Ott und François Lopez
Kronengalerie Zürich

Romy Ott Plastiken Francois Lopez Malerei Kronengalerie Zürich
Romy Ott (Plastiken) und François Lopez (Malerei) in der Kronengalerie Zürich

Beide Kunstschaffenden eint eine gemeinsame Heransgehensweise an ihr Werk: sie setzen sich je beide mit den Materialien, die sie für ihr Schaffen verwenden, sehr feinfühlig und die Arbeitsschritte immer wieder neugierig hinterfragend auseinander. Diesen Eindruck gewann ich während der Gespräche mit Romy Ott und mit François Lopez, und er bestätigt sich beim Betrachten ihrer Kunstwerke. Da beide auch Aspekte wie die Serialität und die Rasterung – mal offensichtlich, mal subtiler – beleuchten, harmonieren die Werkgruppen, die beide hier ausstellen, in ihren Grundcharakteristiken. Es dominiert die Konzentration und Ruhe der einzelnen Werke in der Zwei- und in der Dreidimensionalität, die einander in ihrer Wirkung steigern. Interessanterweise entfaltet sich in je beider Werkgruppen auch das Poetische, das sich nur dann einstellen kann, wenn absichtsvoll der Boden dafür bereitet worden ist.

Romy Ott

Romy Otts Weg begann als Goldschmiedin, was ihr das Gespür für den Umgang mit Metall und die Hinwendung zum Detail geschärft hat. Als sie ihre Begeisterung für das Modellieren entdeckte, erforschte sie die Möglichkeiten der grossen, umfassenden Formen, und der sich im Gegensatz zu ihnen befindenen, den Formgebungen eingefügten feingliedrigen Einheiten wie die Körper von Menschen. Dabei entsteht eine ausdifferenzierte Gestaltenwelt aus Wesen, die die ihnen zugewiesenen Räume aufbauen und beleben.

François Lopez

François Lopez, der eine Lehre als Offset-Drucker durchlief, hat den Umgang mit den Grundbestandteilen dieser Tätigkeit zum Ausgangspunkt seiner künstlerischen Tätigkeit gemacht. Die Offset-Farben (smyc: Schwarz, Magenta, Yellow, Cyan) in ihren grossen Töpfen laden dazu ein, mit Kellen nach ihnen zu schöpfen und sie, dick und zähflüssig, wie sie sind, auf die Palette zu übertragen und ihre starke Pigmentierung auf Oberflächen zur Entfaltung zu bringen.

Romy Ott Plastiken Francois Lopez Malerei Kronengalerie Zürich
Romy Ott (Plastiken) und François Lopez (Malerei) in der Kronengalerie Zürich

Serialität als Arbeitsprinzip

Die Serialität als Arbeitsprinzip fällt bei beiden auf. Bei François Lopez ist es z.B. die Vorgehensweise, mit dem Rücken des Spachtels als Stempel Farbe wiederholt in gleicher vertikaler Ausrichtung auftragend auf die Leinwand zu übertragen, bis das wiederholte Muster eine Eigenständigkeit erhält und die senkrechten Stäbe mit ihren Unterbrüchen eine eigene optisch wirkende Dynamik entwickeln.

In der Arbeit von Romy Ott ist das Serielle in solchen Arbeiten präsent, in denen sie mit der menschlichen Figur arbeitet, und diese wie ein Grundelement innerhalb einer komplexeren Komposition verwendet. Als treffendstes Beispiel dafür steht in meinen Augen die von weiten wie ein Ammonit erscheinende Form, die sich bei näherer Betrachtung als Summe von kleinen (menschlichen) Formen erweist.

Rasterung als ordnende Vorgehensweise

Die Rasterung ist eine ordnende Vorgehensweise, die dann wichtig wird, wenn andere Kompositionsregeln ausser Kraft gesetzt sind, z.B. wenn im zeitgenössischen Kunstschaffen der Raumkontext oder Figürlichkeit nicht explizit Thema der Darstellung sind. Hier greifen beide Kunstschaffenden auf jeweilige eigene ordnungs-konstituierende, selbst auferlegte Regeln zurück:

Romy Ott gestaltet eine Art Existenzwürfel, in der jeder Boden die Lebenswelt von Figuren sein kann. Oben und unten sind aufgehoben, jede Bodenlinie eröffnet die Möglichkeit einer eigenen Schwerkraft, in der die Figuren sein können.

Auch François Lopez hat eine Vorgehensweise entwickelt, dank der er die Erscheinungsweise, sozusagen den Auftritt, seiner Farbmischungen organisiert und ihnen einen Rahmen gibt: mit der Gummiwalze rollt er über die auf der Palette wartenden Farben und bereitet so eine Art Grundmodul vor, und dann überträgt er dieses Farben-Grundmodul auf einen Farbträger, indem er die Walze darauf abrollt. Der Rastergedanke wird erfüllt, wenn die so entstehenden Farbfelder sich nebeneinander und übereinander wiederholen. Von einzelnen kleinformatigen Farbträgern ausgehend fertigt er grösserformatige Drucke an, wobei die Erfahrung der Wirkungsentfaltung im Übergang vom Klein- zum Grossformat eindrücklich ist. Die Farbigkeit und die durch das Abrollen entstandenen Formenwelten steigern sich zu (im kunsthistorischen Sinn) monumentalen Präsenzen. Interessant ist die Wahl der schützenden Plexiglasabdeckungen der Drucke. Die Wiedergabe im Druck wiederholt den Glanz der Offsetfarben, und dieser wird auch in der optischen Erscheinung unter dem Kunststoff evoziert. Dort, wo die Offsetfarben in ihrer stark deckenden, satten Farbigkeit auftreten, können ihre Glanzeigenschaften zum Tragen kommen.

Ausstellung Francois Lopez Malerei Kronengalerie Zürich
Ausstellung mit François Lopez in der Kronengalerie Zürich

Die Umwandlungserfahrung macht auch Romy Ott, wenn sie über die Materialität ihrer Formschöpfungen entscheidet. Manche der Objekte bestehen aus hochgebrannter Manganerde, andere hingegen sind aus Wachs und Ton modelliert und werden in der Kunstgiesserei zu Bronzeplastiken. Dabei stellt sich immer die Frage nach der Erscheinungsweise in ihrer Materialität. An steinerne Schwere gemahnende Formen in geschlossenen oder halboffenen Konturen, oder an geschmeidige lebende Körper erinnernde Bronzeformen mit ihrer Patina, die Wahl des Materials lenkt die Wahrnehmung und ist ein Grundentscheid der Künstlerin.

Betrachter hat zahlreiche Möglichkeiten, Anknüpfungspunkte zu finden

Zur Frage der Poesie, oder mit anderen Worten zur Ebene der Inhaltlichkeit, möchte ich mich in diesem Sinne äussern, dass beide Kunstschaffenden dem Betrachter zahlreiche Möglichkeiten geben, innerhalb einer angedeuteten Inhaltswelt Anknüpfungspunkte zu bieten.

Bei Romy Otts Figurendarstellungen spielt sich häufig eine imaginierte Lebenssituation ab, wo menschliche Figuren kauern, sitzen, stehen, die Arme recken oder einander entgegenstrecken. Immer angedeutet ist ein bestimmter Zustand, ein Seelenzustand vielleicht auch – Zustände, in denen wir uns als Betrachter wiedererkennen, weil wir Nachdenklichkeit, Trauer, Freude, Angst, Ergriffenheit, Sehnsucht und noch viel mehr kennen und hier erkennen Da arbeitet Romy Ott an Details, wenn sie Gefühlslagen nicht nur an einzelnen Gesten von Einzelfiguren, sondern auch am Zusammenspiel innerhalb von Mehrfigurengruppen herausarbeitet. In unseren Sehgewohnheiten gibt es dieses Übertragen von Erlebniswelten auf die Menschendarstellung, die vollkommen auf zusätzliche Informationen wie Kleidung, Werkzeug, Bücher, Heiligenscheine, Waffen, Kronen, etc. verzichtet, damit etwas allgemein und rein Menschliches in den Mittelpunkt rücken kann. Sie scheut auch nicht davor zurück, aus Menschenleibern zusammengesetzte Knäuel zu bilden: ein Sinnbild für das alle vereinende Schicksal?

Ausstellung Romy Ott  Kronengalerie Zürich
Ausstellung mit Romy Ott in der Kronengalerie Zürich

Bei François Lopez wird ein erwartungsvolles Sehen vorausgesetzt, um seinen Bildern voller visueller Überraschungen zu begegnen. Zum einen begegnet man lauter Farbereignissen. Die Vorgehensweise beim Malen der Bilder bringt es mit sich, dass teils kontrollierte, teils aber auch dem Zufall überlassene Farbauftragungen geschehen. Beim Zusehen, wie er mit dem Spachtel und mit ganz ruhiger Hand während etwa einer Minute Magenta-Offsetfarbe auf einer mattweissen Papierunterlage verstrich, wurde deutlich, worin der Anteil der Hand und der Anteil an Zufall zum Tragen kommt. Mit gleichmässigem Druck und sehr dünn aufgetragen, hinterlässt dieser Malvorgang ein transparentes Rosa, aber ein klein wenig dicker aufgetragen, kommt die Deckkraft zum Tragen und es bleibt ein roter Farbton. Dasselbe mit dem Auftragen von Deckweiss auf schwarzem Glanzpapier. Beim Verstreichen der Farbe blieb plötzlich eine Stelle in der Mitte des Blattes leer, da dort die Farbe auf dem Spachtel schon aufgebraucht war, und so verstrich der Spachtel nur noch an beiden Enden das übriggebliebene Weiss. Es sind solche Episoden während des Kreierens einer Druckvorlage, wo der Zufall mitregiert, und wo dann natürlich der Künstler weiterentscheidet, was er nun mit dem Entstandenen weiter macht.

So oder so, beim Arbeiten mit der Farbmaterie und mit der formbaren Masse, die Künstlerin und der Künstler treten in Interaktion mit dem Entstehenden, betrachten und befragen das Entstehende, loten es nach weiteren Möglichkeiten aus, beobachten sich selber beim Betrachten, und greifen dann wieder in das Geschehen ein.

Wenn dann die eine Raumquadrate aufeinanderstapelt, oder der andere Farbaufträge kombiniert, entwickelt sich etwas augenfällig Sinnvolles in der Summe dieser Aktionen, denn der Betrachter sucht nach Sinnzusammenhängen, und er erahnt, wie schon alles in der Anlage angelegt wurde, damit ein Seherlebnis zustande kommt.

Susann Dubs – Schöner Abfall

Ausstellung: Antiquariat und Galerie im Rathausdurchgang, Stadthausstrasse 57, 8400 Winterthur (20. Mai – 1. Juli 2017)

Einladende Farben leuchten auf, spannende Umrisse fordern zum Erkunden auf. Man nähert sich neugierig, beginnt zu rätseln, was man denn Abbildhaftes sieht, und langsam dämmert es einem, dass das, was man soeben eingehend betrachtet hat, nichts anderes ist als: Abfall. „Schöner Abfall“ – eben.

Organischer Abfall im grünen Kübel, bevor der Inhalt auf den Kompost wandert: aus der rätselhaften Landschaft wird eine Kompostlandschaft. Oder Plastikabfall, Flaschendeckel, Zündholzschachteln, kaputte Knöpfe, Gummiringe, zerknülltes Papier, nicht mehr gebrauchte Kleinigkeiten, die achtlos auf die Strasse geworfen werden.

Susann Dubs‘ Blick für das Lehrreiche im Unscheinbaren

Das Gefühl des Skurrilen stellt sich bald ein, angelernte Abwehrmechanismen kämpfen mit der Offenheit des Betrachters, auch im Hässlichen Schönheit zu finden. Dieses Nebeneinander von Anziehungskraft und Abstossung, von Ästhetik und Ordinärem, das ist letztlich das Ineinandergreifen von Leben und Tod.

Dubs Susann, 2017, Schöner Abfall, Öl auf Holz, ca. 15x15cm, Privatbesitz
Susann Dubs, 2017, Schöner Abfall, Öl auf Holz, ca. 15x15cm, Privatbesitz

Die Einsicht in den Kreislauf des Werdens und Vergehens stellt sich plötzlich ein: aus dem, was seinen Dienst getan hat, wird künstlerisch Neues geschöpft – als künstlerisches Werk. Aus dem, was aus dem Sinnzusammenhang des Lebens und Tuns herausfällt, erwächst die Möglichkeit eines tieferen Verständnisses: „Mensch, erinnere dich an den Tod – memento mori“. In Zeichnung und in Malerei wird der Betrachter angelockt, aber das Schöne entpuppt sich als Vergänglichkeitssymbol. Die Irritation, die sich einstellt, ist demnach erwünscht: sie ebnet den weiteren gedanklichen Weg.

Susann Dubs lässt uns an ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit dem, was wir Abfall nennen, teilhaben. Abfall – von Abfallen, wie vom Tisch fallen, wenn es da keinen Platz und keine Verwen-dung mehr hat. Hier ist jedoch die Wertschätzung umgekehrt: sogenannter Abfall wird hier bewusst gesucht, ins Bild gerückt und sozusagen porträtiert, in packenden, mittelgrossen und kleinformatigen Stillleben.

Es ist regelrecht eine Einsicht, die als Ergebnis eines Erkenntniswegs im wortwörtlichen Sinn zu verstehen ist. Wer kennt das nicht, das Betrachten um des Sehens und um des Verständnisses willen? Hier wird der Blick bewusst auf Dinge gelenkt, durch die man Einsichten gewinnen kann: auf Spalten, Türöffnungen, halboffene Schubladen und Schäfte. So fällt der Blick auf Umrisse und auf die Strukturen, die sich in der Öffnung zeigten. Es offenbaren sich dabei nicht nur wertvolle Gegenstände, sondern auch das, was „ent-rückt“ werden sollte – unter anderem auch Abfall, aussortiert und in Behältnisse gesteckt.

Metaphorisch sind das unangenehme Dinge, die als belastend und überflüssig angeschaut werden, nun aber zurück ins Bewusstsein gerufen werden. Allerdings werden sie zeichnerisch und malerisch gewissermassen geadelt, womit von vornherein ein wohlwollender Umgang mit ihnen vorbereitet wird. Der Umgang mit schönem Abfall als sinnstiftender Schritt wird offensichtlich.

Susanne Dubs sieht vielerlei Werte im achtlos Weggeworfenen

Die rein malerische Auseinandersetzung mit den Dingen und ihrer Oberfläche, mit den Strukturen, mit dem Spiel des Lichts: anstatt anhand von Gegenständen oder Kleidungsstücken, vom Faltenwurf an Mänteln und Kleidung… „drappeggio“ kann man doch auch – wieso nicht? – an Abfallsäcken beobachten, die am Strassenrand aufs Abtransportiertwerden warten. Solche Abfallsäcke tauchen als Zeichnungen mit Kugelschreiber auf, auf Zeitungspapier (sinnigerweise der „Zeit“), das mit Dispersionsfarbe verstärkt wurde.

Lineare Strukturen, Netzgebilde, wie sie an dehnbarem Verpackungsmaterial vorzufinden ist: ihnen begegnet man auf wiederverwendetem Karton von Verpackungsschachteln.

Die in langer Reihung gehängten, kleinformatigen, mit Ölfarben bemalten Holztäfelchen zeigen naturalistisch und in Originalgrösse 1:1 gemalte Darstellungen von Abfall: sie entpuppen sich als ein Eldorado an Vielfalt ihrer Formen, Farben und Materialien. Jemand warf die Gegenstände weg, und sozusagen als Kuriositäten und durch Zufall einer zerstörerisch gemeinten Einwirkung (eine Hand drückte sie zusammen; ein Fusstritt verformte sie) zum Unikat geworden, leben sie nun hier weiter. Das Thema des Wiederauflebenlassens zieht sich konsequent durch: die Holztäfelchen der Stillleben stammen aus Abfallholz aus der Bühnenbildnerei im Opernhaus Zürich. Die Ölfarbe ist ebenfalls recyclet, z.T. ist sie 50jährig.

Zwischen augenzwinkernder Leichtigkeit und vorbildlicher Ausführung stecken die tiefschürfendsten Gedanken. Denken wir an Susann Dubs‘ Fingerzeige, wenn wir das nächste Mal „Abfall“ produzieren.

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